Der Gespensterhoffmann 1935 im E.T.A. Hoffmann-Haus

1930 wurde in Bamberg das E.T.A. Hoffmann-Museum eröffnet. Im ersten Besucherbuch finden sich Einträge von Besuchern aus Bamberg, dem ganzen Deutschen Reich und von Ausländern. Gewichtige Amtsträger haben sich mit Titeln eingetragen, dazu Wissenschaftler, Künstler, Enthusiasten. Einige deuten individuelle Bezüge an, so etwa: in Verehrung oder aus der Heimat von E.T.A. Hoffmann. Unter den 207 Einträgen von 1935 machen zwei zum 30. Dezember 1935 neugierig: „Jaspert, Opa, Frankf. a. M. | Wi Jaspert gen. Medardus Berlin“ (Berlin von anderer Hand nachgetragen).

Wir haben im Februar 2012 das langjährige Mitglied der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft W. P. Jaspert (geboren am 21. März 1926 in Frankfurt am Main) gebeten, uns den Hintergrund dazu mitzuteilen. Zunächst einige Notizen zu der großen Familie.

Sein Großvater August Jaspert war Schulleiter und Landtagsabgeordneter in Frankfurt am Main, wo es heute eine Jaspert-Schule und eine Jaspert-Straße gibt. Sein Vater Willem Jaspert (2.9.1901 Gevelsberg – 30.4.1941 KZ Oranienburg-Sachsenhausen) war Verleger, Reiseberichterstatter und Romanautor. Zu seinen Veröffentlichungen gehört „Afrikanisches Abenteuer. Auf der Walz durch Urwald, Sumpf und Steppe. Erlebnisse der Jaspertschen Afrika-Expedition 1925/27“ (1929). Er war Geschäftsführer bei Reimar Hobbing, Berlin, dann mit Felmarschall August von Mackensen Teilhaber des Karl Siegismund Verlags in Berlin.

In diesem „Militärverlag“ und dessen „Deutscher Soldatenbücherei“ (Reihe D: Deutsche Männer – Deutsche Frauen, Band 1) erschien 1939 auch Willem Jasperts Romanbiographie: „Der Gespensterhoffmann. E.T.A. Hoffmanns romantische Lebensgeschichte“. Sie wurde in Bamberg bei J. M. Reindl gedruckt; die Umschlagillustration zeichnete Fritz Jaspert. W. P. Jaspert schenkte dem E.T.A. Hoffmann-Haus ein Exemplar des Buches; es war leider zeitweise entfremdet, ist aber nach dem Rückkauf in der Staatsbibliothek Bamberg der Gesellschaftsbibliothek eingereiht und im Bamberger Katalog bestellbar (Signatur: 22/L.g.o.391-e(F 53).

Willem Jasperts Bruder Reinhard war im Verlagswesen tätig, sein jüngster Bruder Werner war einer der letzten Redakteure der von den Nazis eingestellten Frankfurter Zeitung; nach dem Krieg war er zunächst Bürgermeister von Oberursel/Taunus, dann beim Hessischen Rundfunk, Chefredakteur illustrierter Zeitschriften und Autor verschiedener Bücher vorwiegend über Komponisten. Am 23. Mai 1977 besuchte er mit seiner Frau Hilde das E.T.A. Hoffmann-Haus.

Werner Pincus Jaspert hat seine Autobiographie unter den Titel „Think or Swim. Dancing the Conga with Molotov and other reminiscenses“ (London 2011) gestellt. Andere Bücher sind die bis jetzt in sieben Auflagen erschienene „Encyclopaedia of Type Faces“, „standard typography reference guide” (mit W. Turner Berry und A. F. Johnson), „State of the Art“ und „Popo“ (auf Deutsch). Er war Journalist und ist weiterhin Mitarbeiter von technischen Büchern und etwa 40 technischen und anderen Zeitschriften und Zeitungen. Er gelangte nach England, seine Kinder leben in Spanien, der Schweiz, England und Mexiko, die meisten seiner Vettern aber weiterhin in Deutschland. Sein jüngerer Bruder Jürgen gelangte nach dem Tod des Vaters abenteuerlich nach Spanien, wo er heute noch lebt.

„Als ich aus Deutschland wegging, war ich so etwa 8 Jahre alt. Schon als Kleinkind hatte ich ein Lieblings-Steifftierchen: den Kater Murr.

Mein Großvater August, Papa und seine Brüder erzählten mir viele Geschichten von E.T.A. Hoffmann. Besonders gerne las ich selbst die „Fantasiestücke in Callots Manier“ und daraus den „Goldnen Topf“, „Klein Zaches genannt Zinnober“, „Die Elixiere des Teufels“ und mehr. Natürlich auch die „Sagen des klassischen Altertums“ (ein Jahr später drängte ich, Griechisch und Latein zu lernen, das letztere für zehn Jahre!). Andere wichtige Bücher waren (für mich) Dickens’ „David Copperfield“, Erich Kästners „35. Mai“ und Bechsteins „Kindermärchen“, aber auch andere Werke. Im Garten des Hauses meines Onkels stand eine halb lebensgroße Skulptur Hoffmanns, geschaffen von Onkel Fritz. Opa hatte eine bronzene Gedenktafel des Dichters. In Berlin nahm Papa mich mit zu Lutter und Wegner.

Eines Tages überraschte mich Papa. Er musste geschäftlich nach Bamberg und nahm mich mit. Wir reisten im Schlafwagen. Papas Überredungskünste beeindruckten mich. Kaum in Bamberg angekommen, rannte er die Straße herunter und hämmerte dann an der Tür eines Schneiderladens. Nach einer Weile kam ein etwas verärgerter schläfriger Mann und fragte, was denn los sei. Papa erklärte ihn, dass der Reißverschluss seines Hosenlatzes klemmte und bat ihn, die Hose aufzutrennen, und dann sein Badezimmer benutzen zu dürfen. Das gelang beides. Papa war erleichtert und ich stolz auf ihn. Dann gingen wir frühstücken. Später am Nachmittag (ich wartete in einem Hotel) brachte mich Papa ins Hoffmann-Haus. Dort habe der Mann mit diesen Möbeln, sagte Papa, einst gewohnt. Wir wurden herumgeführt.

Zu Hause hatte Papa Hoffmanns „Gesammelte Werke und Briefe“, sowie andere Bücher über den Schriftsteller. Später, kurz vor seinem traurigen Tode, brachte Papa seinen „Gespensterhoffmann“ heraus.

Am 30. Januar 1933 hörte mein Großvater lange dem Radio zu. Dann riss er die Fenster auf, setzte sich ans Klavier und sang dröhnend die „Loreley“ und schrie dazwischen immer: „Worte von einem Juden, Musik von einem Juden!“ Ich durfte aufbleiben bei diesem Besuch der Großeltern. Für mich war dieser Abend wie ein zum Leben erwachtes Schauspiel von E.T.A. Hoffmann.“

W. P. Jaspert