Moderne musikalische Rezeption

Obwohl E.T.A. Hoffmanns Werke gute 200 Jahre alt und längst kanonisch geworden sind, begegnen wir seinem Einfluss nicht nur in Schule und Studium. Bis heute faszinieren und inspirieren seine Texte auch andere Kunstschaffende.

›Kammercore‹ aus Berlin: Coppelius

Die Band

Während auch andere Musiker literarisch inspirierte Stücke produzieren, stechen ›Coppelius‹ in besonderem Maße hervor: Nicht allein die Songtexte sind von Hoffmanns Literatur inspiriert, sondern die Band inszeniert sich auf und abseits der Bühne als historisches Künstlerkollektiv. Mit eigens kreierten fiktiven Biographien geben sie sich als Sandkastenfreunde des berühmten Literaten aus, dessen Erzählung Der Sandmann demnach die traumatischen Erlebnisse mit den Herren ›Coppelii‹ verarbeite. Um dieser Linie treu zu bleiben, treten sie stets in historischer Mode, also mit Zylinder, Frack und Vatermörder, auf die Bühne, auf der sie ihren ›Kammercore‹ spielen – ein Neologismus für Rockmusik auf klassischen Instrumenten: Neben Cello, Kontrabass, zwei Klarinetten und gelegentlich einem Cembalo ist das Schlagzeug das einzig moderne Instrument.

Mit dieser historischen Orientierung konnte sich die Band erfolgreich in der Steampunk-Szene etablieren; einer Subkultur, deren Anhänger ein alternatives Weltbild vorstellen, in dem die modernen Fortschritte nicht durch Computertechnologien erzielt wurden, sondern durch dampfbetriebene Maschinen (engl. ›steam‹). Diese Verknüpfung zwischen Steampunk und dem musikalischen Schaffen setzte die Band 2015 in einer Steampunk-Oper um, die Hoffmanns Zaches-Märchen in diesen Kontext setzt. Aber auch auf der Konzertbühne findet sich ein authentisches Bild: Die Musiker spielen nicht allein auf ihren Instrumenten, sondern liefern dem Publikum – standesgemäß mit moderierendem, besonders eloquentem Diener – eine Performance. So trat einer der Klarinettisten, Max Coppella, beim Stück »Schöne Augen« (Tumult!, 2008) mit blutverschmierter Augenbinde auf und suggerierte damit, selbst zum Opfer des alchimistischen Advokaten geworden zu sein.

Die Musik und die Gestaltung der Tonträger

Nicht nur am Namen der Band ist die Inspiration durch hoffmannsche Werke deutlich erkennbar. Besonders ihr Frühwerk weist zahlreiche Reminiszenzen auf. Dabei erstreckt sich der Einfluss jedoch nicht ausschließlich auf die komponierten Stücke, sondern auch die graphische Gestaltung der Alben – wie CD-Design und Booklet – zeigen die Verbindung der Musiker zum romantischen Schriftsteller. So ist das Album Zinnober (2010) regelrecht ein Konzeptalbum, das den Hörer dazu anhält, die Stücke im Lichte Hoffmanns zu betrachten, auch dann, wenn die Anspielungen nicht offensichtlich sind.

Besondere Einflüsse stellen finden sich dabei neben dem Sandmann auch durch die Kreisleriana oder Klein Zaches genannt Zinnober. Abseits der literarischen Inspiration gibt es jedoch auch einige Stücke der Band, die vor allem auf Hoffmanns Vita Bezug nehmen. So lässt sich »Der Feuerwehrmann« (Zinnober, 2010) auch im Kontext des großen Theaterbrandes vom 29. Juli 1817 betrachten, den Hoffmann von seiner Berliner Wohnung am Gendarmenmarkt aus beobachtet und karikiert hat. Auch die Single »Ma rue à moi« (2011) ehrt sein umfangreiches literarisches, bildkünstlerisches und musikalisches Schaffen.

Auf den Alben Tumult! und Time-Zeit finden sich mit den ein- und ausleitenden Stücken leicht modifizierte direkte Zitate aus Hoffmanns Ritter Gluck, der Kreisleriana sowie der Fermate. Um Authentizität zu erzeugen, findet sich sogar auf der Innenseite der CD von Time-Zeit das Eingangszitat in deutscher Kurrent abgedruckt und mit Hoffmanns Signatur versehen.

Diskographie mit Bezug zu Hoffmann
Verweise auf Hoffmanns Vita
– Time-Zeit (2007): »Urinstinkt« – Signatur in deutscher Kurrent auf der Album-Innenseite
– Zinnober (2010): »Der Feuerwehrmann«
– »Ma rue à moi (wer Großes leistet)« (Single, 2011)
– Extrablatt (2013): »Bitten, danken, petitieren« – Konterfei Hoffmanns im Booklet

Der Sandmann
– Time-Zeit (2007): »Olimpia«
– Tumult! (2008): »Der Advokat« – »Schöne Augen« – »Coppelia«
– Zinnober (2010): »Ein Automat«

Klein Zaches genannt Zinnober
– Zinnober (2010): »Klein Zaches« – »Gumbagubanga« – Album-Design
– Extrablatt, 2013): »Glaubtet Ihr?«
– Kammerarchiv (2019): »Kein Land so schön« – »Welthentrubel (selten genug)« – »Lied der Liese« – »Ein kluger Mann« – »Was war denn das«

Kreisleriana
– Time-Zeit (2007): »Intro« – »Urinstinkt« – Zitat auf der Innenseite des Albums in deutscher Kurrent
– Tumult! (2008): »Vorwort«

Ritter Gluck
– Time-Zeit (2007): »Surely« – »Outro«

Die Fermate
– Tumult! (2008): »Nachwort«