Der Jurist

E.T.A. Hoffmann stammte aus einer Familie, deren Vorfahren väterlicherseits meist Pfarrer waren, die Theologie an der Königsberger Universität studiert hatten. Sein Vater jedoch war Jurist und der Sprössling in seinen Eigenschaften und Begabungen dem Vater sehr ähnlich. Die Mutter stammte aus der in Königsberg angesehenen Juristenfamilie Doerffer, in deren Schoß die Mutter nach der Trennung von Hoffmanns Vater mit dem Sohn zurückkehrte.

So lag es nicht ganz fern, dass Hoffmann sich im Wintersemester 1791/92 als Student der juristischen Fakultät der Albertus-Universität in Königsberg einschrieb. Er sah das Studium der Rechtswissenschaften als sein Brotstudium an, das ihm künftig eine wirtschaftliche Unabhängigkeit als Basis für sein künstlerisches Schaffen bieten sollte. Gleichwohl lernte er zielstrebig und mit viel Fleiß. Die Ausbildung an der Albertina entsprach der damaligen Üblichkeit mit vielen Vorlesungen und Lehrveranstaltungen zum Naturrecht, den Institutionen und Pandekten des römischen Rechts, aber auch schon dem modernen Preußischen Allgemeinen Landrecht. Immanuel Kant übte als Philosoph einen großen Einfluss auch auf die Professoren der juristischen Fakultät aus, die insbesondere das Naturrecht ausgerichtet an den philosophischen Grundsätzen des berühmtesten Lehrers dieser Universität lehrten.

Nach dem juristischen Studium führten Hoffmann der weitere Ausbildungsweg und die ersten beruflichen Schritte von Glogau über Berlin bis hin nach Posen und aufgrund einer als Missbilligung gedachten Versetzung – Hoffmann war als der Künstler ausgemacht worden, dessen Karikaturen der Honoratioren der Stadt und vor allem der aristokratischen Militärs während einer Karnevalsfeier in Umlauf gebracht worden waren – weiter nach Płock bis hin nach Warschau, wo die Besetzung durch napoleonische Truppen seiner juristischen Laufbahn ein vorläufiges Ende setzte.

Nach einer Zeit als Musikdirektor, Komponist, Dramaturg, Direktionsgehilfe und Dekorationsmaler in Berlin, Bamberg, Dresden und Leipzig gelang es Hoffmann durch Vermittlung seines Freundes Theodor Gottlieb Hippel (1775–1843) nach achtjähriger Unterbrechung 1814 wieder in den Justizdienst an das Kammergericht zurückzukehren, dorthin, wo er einen Teil seiner juristischen Ausbildung absolviert hatte. Schnell erkannten die Vorgesetzten die auch in juristischer Hinsicht brillante Arbeit Hoffmanns, weshalb er in wenigen Jahren zum Vorsitzenden Kammergerichtsrat avancierte und in dessen Abwesenheit sogar den Präsidenten des Kammergerichts vertrat.

1819 wurde Hoffmann Mitglied der königlichen Immediat-Untersuchungs-Kommission, die als eine Art Sonderbehörde zur Ermittlung hochverräterischer und demagogischer Umtriebe in Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse geschaffen worden war. In dem Verfahren gegen Turnvater Friedrich Ludwig Jahn kam Hoffmann in einem fast 100 Druckseiten umfassenden, wohldurchdachten Votum zu dem Schluss, dass Prof. Jahn aus dem Arrest zu entlassen sei; leider konnten die Richter des Kammergerichts sich mit ihrer Auffassung nicht durchsetzen; für Jahn war die Folge eine jahrelange Festungshaft.

Im Zusammenhang mit der Tätigkeit in dieser Kommission kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit dem Polizeidirektor von Kamptz, da die Entscheidungen der Richter nicht dessen auf Verfolgung und Bestrafung zielender Intention entsprachen. Hoffmann nahm dieses Verhalten zum Anlass, um von Kamptz in seinem Märchen „Meister Floh“ als Geheimrat Knarrpanti zu karikieren, der nach dem Grundsatz ermittelt, dass dann, wenn man einen Tatverdächtigen bestimmt, sich bei gehöriger Ermittlung auch schon eine strafbare Handlung finden ließe. Dieser Umstand und die Verwendung des Satzes „Heute war ich mordfaul!“ aus einer von Hoffmanns Akten führten zur Einleitung eines gegen ihn gerichteten Verfahrens, welches indessen wegen seines so frühen Todes nicht mehr zum Abschluss gebracht wurde.

Unter den Autographen E.T.A. Hoffmanns in der Staatsbibliothek Bamberg, die auf den Bamberger Schätzen verfügbar sind, befinden sich auch einige juristische Dokumente.

Literatur zu den juristischen Arbeiten

  • Juristische Arbeiten. Herausgegeben und erläutert von Friedrich Schnapp. München 1973
    (auch enthalten in E.T.A. Hoffmann: Sämtliche Werke in sechs Bänden. Frankfurt am Main: Deutscher Klassiker Verlag 1985-2004)
  • Hans Günther: E. T. A. Hoffmans Berliner Zeit als Kammergerichtsrat, über den Dichterjuristen, speziell in Sachen „Turnvater Jahn“ – von einem Kollegen und heutigen Kammergerichtsrat a.D., Presse- und Informationsamt des Landes Berlin, 1976 (Berliner Forum 3/76)
  • Hartmut Mangold: Gerechtigkeit durch Poesie. Rechtliche Konfliktsituationen und ihre literarische Gestaltung bei E. T. A. Hoffmann, Dt. Univ.-Verlag, Wiesbaden 1989
  • Stefan Weichbrodt: E.T.A. Hoffmann (1776 bis 1822). In: Juristische Schulung 2008/1, S. 7-13